Kammerherrenschlüssel

Symbole der Macht, des Vertrauens und der höfischen Tradition

Einführung

Kammerherrenschlüssel gehören zu den traditionellen Insignien der deutschen Adels- und Hofgesellschaften. Diese kunstvoll gestalteten Schlüssel symbolisieren die besondere Rolle und das Privileg der Kammerherren, die in den Diensten des Monarchen oder Fürsten standen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sie nicht nur als praktische Werkzeuge gedient, sondern auch als Symbole für Status und Vertrauen.

Die Funktion eines Kammerherrenschlüssels ging einst weit über das einfache Öffnen von Türen hinaus. Die Verleihung der Kammerherrenwürde war zunächst mit zahlreichen Privilegien verbunden. Kammerherren hatten Zugang zu den innersten Gemächern des Herrschers und waren oft in vertrauliche Angelegenheiten und Entscheidungen eingebunden. Sie fungierten als Berater und Vertraute des Herrschers und nahmen an wichtigen Zeremonien und Empfängen teil.

Preussischer Kammerherrenschlüssel, Silber vergoldet, mit seitlich sichtbaren Befestigungsknöpfen.
Preussischer Kammerherrenschlüssel, Silber vergoldet, mit Befestigungsknöpfen

Historische Ursprünge

Frontansicht eines bayerischen Kammerherrenschlüssels aus vergoldeter Bronze mit Wappen, Krone und Ornamenten.
Bayerischer Kammerherrenschlüssel in vergoldeter Bronze mit Wappen, Krone und ornamentiertem Design

Die Tradition der Kammerherrenschlüssel lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Die Ordnung und der Ursprung eines Hofstaates reichen in ferne Jahrhunderte zurück. Eine Gliederung des Hofstaates, deren Vorsteher neben den anderen obersten Kronbeamten die Kämmerer sind, lässt sich bis ins graue Altertum, zu den römischen Cäsaren und noch weiter in die fernsten Zeiten orientalischer Herrscher zurückverfolgen.

Diese Tradition ist historisch belegbar und diente sowohl praktischen Zwecken als auch der Steigerung des Glanzes des Hoflebens. Bereits in der frühen Geschichte wurde um die Person des Herrschers ein hoher Rang geschaffen. Würdenträger, die der Leitung und Aufsicht einzelner Zweige des Hofdienstes unterstellt waren, trugen die Titel Kämmerer, Mundschenk, Marschall und Truchsess. Diese Ämter wurden einst von Königen, Herzögen und Markgrafen besetzt. In der Konsequenz kam es häufig vor, dass diese Ämter doppelt besetzt waren: Einerseits durch Fürsten, in deren Familie sie erblich geworden waren, seit die hohen Reichsbeamten allmählich zu unabhängigen Fürsten aufgerückt waren, andererseits durch Hofbeamte, welche der König für diese Funktionen zum täglichen Dienst bestellte. Damit war die Zweiteilung in Erbämter und Hofämter eingeleitet, welche speziell in den österreichischen Erblanden eine besondere Bedeutung gewann, da sich hieraus die Institution der Landes-Erbämter entwickelte.

Erste Erwähnungen des Mundschenkenamtes gibt es bereits in der Bibel. Erwähnt wird auch die Verschwörung der Kämmerer gegen den König Assuerus von Babylon, der erst nach Jahren anlässlich des Streites zwischen Aman und Mardochäus davon erfuhr und den treuen Mardochäus belohnte.

Die Entstehung der Hofämter ist primär dem königlichen Hofe im Rahmen des fränkischen Königsgeschlechts der Merowinger zuzuschreiben.

Hinsichtlich der Benennung sind neben Kämmerer und Kammerherr insbesondere in früherer Zeit auch die Bezeichnungen Kammeredelleute, Kammerjunker, Kämmerer und Kämmerling bekannt. Gemäß J. und W. Grimm (Deutsches Wörterbuch, V. Band, Seite 121) wird der Kammerherr als "adeliger Herr im Dienste des Fürsten, betraut mit dessen Aufwartung in persönlichen Angelegenheiten, eines der obersten Hofämter" bezeichnet. Die Institution der vier obersten Hofämter (quatuor officia principalia) wurde von den Merowingern auf die Karolinger und die folgenden deutschen Könige übertragen, wobei deren Funktionäre in die Klasse der Hofdienstmannen eingegliedert wurden.

Die Institution der Kämmerer sowie die Ämter des Hofmarschalls, Mundschenk und Truchsessen erlangten insbesondere unter den deutschen Königen und "römischen Kaisern deutscher Nation" eine besondere Bedeutung. In dem staatlichen Organismus des Reichsregiments nahmen die Funktionäre der genannten vier Würden eine hoch angesehene Stellung ein. Es lässt sich durch alle Jahrhunderte verfolgen, dass sich gerade die Würde des Kämmerers eines gewissen Vorranges gegenüber den anderen erfreute. Diese vier Würden bildeten zusammen die höchsten Hofämter.

Im 18. und 19. Jahrhundert erlebten die deutschen Fürstenhöfe eine Blütezeit, in der die Zahl der Kammerherren zunahm. Die Schlüssel wurden zu kunstvoll gefertigten Objekten, die oft mit Wappen, Monogrammen und anderen heraldischen Elementen verziert waren. Sie wurden bei Zeremonien und offiziellen Anlässen getragen und dienten als sichtbare Zeichen der Zugehörigkeit zur höfischen Elite. Auch im 20. Jahrhundert blieben die Kammerherrenschlüssel ein wichtiger Bestandteil der höfischen Traditionen. In den Monarchien und Fürstentümern, wie zum Beispiel in Bayern und Preußen, wurden die Kammerherrenschlüssel als Teil der Hofkleidung getragen.

Rolle und Funktion der Kammerherren

Tätigkeiten und Verpflichtungen

Im Mittelalter oblag den Kämmerern laut Überlieferung folgende Hauptobliegenheiten:

  • Die Aufsicht über die königliche Schatzkammer, deren Schlüssel ihnen anvertraut waren
  • Die Oberaufsicht über die Kleinodien, Rüstungen, Waffen und Mobilien des Hofes
  • Eine Funktion bestand in der Gewährleistung der Aufrechterhaltung der Ordnung während der Feierlichkeiten am Hofe. Zu diesem Zwecke bedienten sie sich der weißen Kammerstäbe, welche sie als Insignien ihrer Würde zu führen pflegten und welche sie im Gedränge der Schaulustigen mitunter mit Nachdruck einsetzten
  • Die Verwaltung des gesamten Vorrats an Stoffen und Kleidungsstücken
  • Auf Reisen begleiteten sie zusammen mit den Marschällen, Truchsessen und Mundschenken ihren königlichen Herrn
  • Sie hatten die Verpflichtung, sich bei jedem öffentlichen Erscheinen des Königs in seiner unmittelbaren Nähe aufzuhalten

Soziale Stellung und Privilegien

Kammerherren genossen oft besondere soziale und wirtschaftliche Vorteile. Sie waren Teil der höfischen Elite und hatten Zugang zu exklusiven Gesellschaftskreisen. Ihre Stellung am Hof ermöglichte ihnen den Aufbau von Netzwerken und Beziehungen, die auch außerhalb des Hofes von großem Nutzen sein konnten.

Ein spezielles Vorrecht der zum aktiven Dienst bei Hofe bestellten Würdenträger bestand darin, dass sie an den vom Kaiser einberufenen Reichstagen in der Regel teilnahmen und immer auf den Landtagen der Fürsten mitabstimmten. Mit der Erblichkeit der obersten Hofämter ging eine Ausweitung der Vorrechte einher, die auch Frauen aus den erblichen Familien der Würdenträger zuteilwurde.

"Das (ver-)mißt' ich König gern, dass nichts mir soll verbleiben durch euren Kammerherrn. Von aller meiner Habe; er verschwendet all' mein Gold; wer dem noch widerstände, dem wollt ich immer hold."

— Zitat aus dem Nibelungenlied

Die hohe Stellung der vier obersten Hofämter, welche auf einer uralten Tradition basierte, wird durch die ausführliche Darstellung der Hofhaltung des Königs Gunther zu Worms im Nibelungenlied deutlich. Die Wirksamkeit der Kämmerer wird im Nibelungenlied vielfach belegt, sodass auf die bedeutende Rolle dieser Würdenträger am Hofe geschlossen werden kann. Selbst der gewaltige Recke Hagen von Tronje verschmähte es nicht, den burgundischen Königen, deren Seitenverwandter er war, gelegentlich die Dienste eines Kämmerers zu leisten. Als die Burgunder an den Hof König Etzels kamen, wollte Kriemhilde ihren Brüdern die Waffen abnehmen. Hagen durchschaute ihre listige Absicht und vereitelte sie mit der ironischen Bemerkung, man könne eine solche Ehrenbezeugung von einer Königin nicht annehmen, da dies den höfischen Regeln widerspräche, die Hagen von seinem Vater eingeprägt bekommen hatte. Hagen erklärte, er selbst wolle lieber der Kämmerer sein. Hagens Bemerkung geht von der Prämisse aus, dass die Kämmerer den hohen Gästen beim Empfang die Waffen abnahmen.

Symbolik und Bedeutung des Schlüssels

Schlüssel gelten gemäß den ältesten deutschen Rechtsanschauungen als Symbol des Besitzes und der Gewalt. So wurde die Braut bei der Hochzeit mit Schlüsseln geschmückt, die am Gürtel hingen. Bei der Scheidung erhielt sie der Mann zurück. Beim Kauf oder Erblassungsakt wurde das Haus durch Übergabe des Schlüssels übergeben. Der Baumeister übergab dem Bauherrn die Schlüssel als Zeichen der Fertigstellung des Bauwerks.

Im Krieg erfolgte die Übergabe einer Stadt durch Überreichung der Schlüssel zu den Toren an den siegreichen Gegner. Selbst die göttliche Majestät Christi bediente sich dieses Symbols, indem sie es dem Apostelfürsten Petrus sowie seinen Nachfolgern auf dem Heiligen Stuhl als Verwaltern des Gnadenschatzes der Kirche »die Schlüssel zum Himmelreich« übergab. Daher sind auch bei den Päpsten in ihrem Wappen unter der Tiara die gekreuzten Schlüssel zu finden.

Die Verleihung eines goldenen Schlüssels durch den Landesherrn symbolisierte den Zutritt zu den fürstlichen Prunkgemächern (Kammern). Ein ähnliches Schlüsselsystem gab es auch bei den Schlüsseldamen, die einst zur Zeit des Kaisers Maximilian II. am Allerhöchsten Hofe bestanden und an einzelnen deutschen Höfen, z. B. am königlich bayerischen Hofe existierten.

Die symbolische Bedeutung des Schlüssels für das Recht der Verwaltung hatte zur Folge, dass er bereits frühzeitig als Attribut und Abzeichen der Kämmerer Verwendung fand. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ursprünglich ebenjene die tatsächliche Verwaltung der Schlüssel zu den königlichen Gemächern und Schatzkammern innehatten. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Tätigkeitsbereich der Kammerherren immer weiter auf eine reine Hofcharge reduziert, ohne konkrete Aufgaben zu erfüllen zu müssen.

Historischer bayerischer Kammerherrenschlüssel mit kunstvoll gesticktem Portepee aus der Zeit des Prinzregenten Luitpold.
Historischer Kammerherrenschlüssel mit Portepee aus der Regierungszeit des Prinzregenten Luitpold von Bayern

Der Symbolwert blieb jedoch erhalten, was sich beispielsweise darin zeigt, dass Kaiser Franz Josef I. während seiner Regierungszeit fast 3.000 Kammerherren ernannt hat. So ergab sich in der Kulturgeschichte des Öfteren der Übergang des Instrumentes zum Symbol. Die Ernennung zum Kammerherren war stets auch mit der Erhebung von nicht unerheblichen Gebühren (Taxe) verbunden. Der Erwerb der entsprechenden Hof-Uniform ging ebenfalls zu Lasten des Ernannten. Gemäß einer in Preußen gültigen Preisliste von 1913 kostete die komplette Erstausrüstung den Kammerherren mehr als 1350 Goldmark.

Physische Merkmale und Design

Materialien und Herstellung

Die handwerklichen Techniken bei der Herstellung von Kammerherrenschlüsseln waren über Jahrhunderte hinweg äußerst anspruchsvoll und kombinierten mehrere präzise Metallverarbeitungsverfahren, die dem Schlüssel seinen Charakter als Statussymbol verliehen haben. Die Kammerherrenschlüssel bestanden zumeist aus einer feuervergoldeten, hellen Kupferlegierung (Bronze oder Messing) oder bestanden aus vergoldeten Silber. Andere Materialien wie Eisen oder Gold kamen vor. Die Herstellung von Kammerherrenschlüsseln erforderte eine Kombination aus kunstvollen und handwerklichen Techniken:

  • Gießen: Zunächst wurde eine detaillierte Gussform angefertigt, in die das erhitzte Metall – meist Bronze, Messing oder Silber – gegossen wurde. Dieser Gussprozess ermöglichte es, die komplexen Formen und Grundmuster des Schlüssels schon in einem frühen Stadium präzise abzubilden. Dadurch konnte schon bei der initialen Herstellung ein hoher Grad an Individualität und Detailtreue erzielt werden.
  • Gravieren: Im Anschluss kamen Gravurtechniken zum Einsatz, um präzise Ornamente, Wappen oder Monogramme in das Metall einzubringen – häufig als Hinweis auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Herrschers oder Hof.
  • Ziselieren: Nach dem Guss folgte der Arbeitsgang des Ziselierens, bei dem kunstvolle Muster, Ornamente und Reliefs mit speziellen Werkzeugen eingearbeitet wurden.
  • Vergolden: Früher kam meist eine Feuervergoldung zum Einsatz. Bei dieser Technik wird dem Metall durch Erhitzung eines zuvor aufgetragenen Goldamalgans ein edles, gleichmäßiges Finish verliehen, was nicht nur das Aussehen, sondern auch den symbolischen Wert unterstrich.
  • Polieren: Abschließend wurde das Werk durch Polieren veredelt, sodass erhabene Stellen und filigrane Details in einem glänzenden Kontrast zur matten Oberfläche besonders hervorstachen.
  • Textilverarbeitung: Ergänzt wurde die metallverarbeitende Arbeit immer durch textilverarbeitende Elemente. Die Schlüssel wurden durch kunstvoll gefertigte Seidenrosetten oder gestickte Portepees ergänzt, die an der Uniform getragen wurden.

Diese Kombination aus Metallbearbeitung und feiner Textilverarbeitung verlieh den Kammerherrenschlüsseln zusätzlich einen repräsentativen und festlichen Charakter – ein Spiegelbild der höfischen Adelskultur und des hohen Prestiges des jeweiligen Trägers.

Der Schlüssel selbst hatte oft die Form eines herkömmlichen Schlüssels mit Bart, der jedoch keine Funktion mehr hatte und nur noch von dekorativer Natur war.

Die Schlüssel wurden zusammen mit einem aus Silber- und/oder Goldfäden gestickten Portepee oder mit einer farbigen Seidenrosette in einem Etui überreicht. Dazu gehörte eine Urkunde über die Ernennung zum Kammerherren, welche gesiegelt und vom Herrscher unterzeichnet wurde.


Insgesamt zeigt sich, dass die Herstellung eines Kammerherrenschlüssels weit über das reine Gießen hinausging. Es war ein vielschichtiger Prozess, in dem filigrane Handwerkskunst und technologisches Know-how miteinander kombiniert wurden, um ein Objekt zu schaffen, das sowohl funktional als auch symbolisch bedeutsam war. Diese Techniken spiegeln nicht nur den künstlerischen Anspruch und die Präzision der Handwerker jener Zeit, sondern auch die enge Verknüpfung von Macht, Kunst und Handwerk in der Geschichte der europäischen Höfe wider.

Entwicklung der Form

Als Symbol der Kammerherrenwürde galten bereits seit den ältesten Zeiten silberne Schlüssel, bis während der Regierung des Kaisers Ferdinand II. vergoldete Schlüssel in Gebrauch kamen. Im 17. Jahrhundert wurden Kammerherrenschlüssel noch mit einem Bart gefertigt, der auf die Türschlösser passte. Ab dem 18. Jahrhundert wandelten sie sich zu kunstvollen Rangabzeichen ohne tatsächliche Funktion. Ursprünglich wurden die Kammerherrnschlüssel an einer schwarzen Schnur über der Schulter getragen, später, etwa ab dem Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts, an der Öffnung der Tasche des Hofkleides.

Hinter der Taillennaht wurde der Schlüssel auf einem goldgestickten Polster platziert. In der letzten Form ist der Schlüssel lediglich von einem goldenen Portepee überdeckt, wobei lediglich das obere Ende der Reide und die Hälfte des Bartes hervortreten.

Die Form der Schlüssel erfuhr im historischen Kontext verschiedene Wandlungen, von denen diejenigen seit der Zeit Kaiser Leopolds I. (1657–1705) bis in die Gegenwart erhalten geblieben sind. Während der Herrschaft Kaiser Leopolds I. wurde der vergoldete Schlüssel aus Eisen tatsächlich für die Sperrung verwendet, während er unter Kaiser Joseph I. (1705–1711) aus vergoldetem Bronzeguss hergestellt und lediglich als Symbol getragen wurde.

Auch in kleineren deutschen Fürstentümern und Herzogtümern wie Sachsen, Württemberg, Hannover und Baden wurden Kammerherrenschlüssel verliehen. Jeder Hof hatte seinen eigenen Stil und seine eigenen Traditionen, die sich in der Gestaltung der Schlüssel widerspiegelten. Oft wurden lokale Wappen und Embleme in das Design integriert, um die regionale Identität zu betonen.

In Sachsen beispielsweise wurden die Schlüssel u.a. mit der sächsischen Raute verziert, während in Württemberg das gekrönte Monogramm W ein Motiv war. Diese Variationen spiegeln die Vielfalt der deutschen Staaten vor der Einigung im 19. Jahrhundert wider.

Detailansicht der aufwändigen Handstickerei aus vergoldeten Silberdrähten und Pailletten auf einem herzoglich nassauischen Portepee.
Teilansicht vom Portepee eines herzoglich nassauischen Kammerherrenschlüssels. Handstickereien aus vergoldeten Silberdrähten, im oberen Teil mit fünf (ursprünglich) vergoldeten Silberperlen verziert. Krone und Wappenschilder mit vergoldeten Silberpailletten verziert. Die Rückseite ist mit gelber Seide abgefüttert.
Detailansicht der Goldstickerei mit der Initiale A auf dem Mittelteil eines herzoglich nassauischen Kammerherrenschlüssel-Portepees.
Mittelteilansicht vom Portepee eines herzoglich nassauischen Kammerherrenschlüssels. In Goldstickerei die zweifache Initiale des 1864 herrschenden Herzogs Adolf von Nassau.

Portepees und Seidenrosetten

Portepees waren häufig aus Silberlahn und Goldgespinst gefertigt und mit gestickten königlichen Kronen, Monogrammen oder Wappen verziert. Sie wurden lose mit dem Kammerherrenschlüssel getragen. Dazu wurden sie mit Kordeln oder Seidenbändern daran befestigt.

Etwas einfacher gestaltet waren die farbigen Seidenrosetten, welche in der Regel aber kunstvoll gerafft und vernäht wurden. Sie waren aus gewässerter Seide gefertigt und in Form einer gefalteten Rosette gestaltet. Sie wurden ebenfalls mit dem Schlüssel lose verbunden getragen und waren somit ein sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zur höfischen Elite.

Portepee aus der Regierungszeit des Prinzregenten Luitpold (1886-1912):

Ein kunstvoll gesticktes Portepee für einen bayerischen Kammerherrenschlüssel, hergestellt von Friedrich Wiedemanns Söhne.
Portepee für einen bayerischen Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit des Prinzregenten Luitpold von Bayern, angefertigt von der Firma Friedrich Wiedemanns Söhne, k. b. Hoflieferanten, München, Residenz-Strasse No. 15.
Nahaufnahme eines Klebeschilds der Firma Friedrich Wiedemanns Söhne auf der Rückseite eines Portepees.
Klebeschild der Firma Friedrich Wiedemanns Söhne auf der Rückseite eines Portepees für einen bayerischen Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit des Prinzregenten Luitpold von Bayern angebracht.
Nahaufnahme eines Klebeschilds der Firma Friedrich Seraph Wunsch auf der Rückseite eines Portepees.
Klebeschild der Firma Friedrich Seraph Wunsch auf der Rückseite eines Portepees unter der Regierung von König Maximilian II. von Bayern angebracht. Es kommen auch Klebeschilder der Firma Bornhauser, Militär Effecten Fabrik aus München, ehem. Pilotystrasse 11a vor.

Regionale Variationen

Großherzogtum Baden, 1853-1918

Ein langer, verzierter badischer Kammerherrenschlüssel aus vergoldetem Messingguss mit dem Monogramm F unter einer Krone.
Badischer Kammerherrenschlüssel mit dem Monogramm des Großherzogs

Großherzog Friedrich I. von Baden (1826-1907) fungierte von 1852 bis 1856 als Regent und von 1856 bis zu seinem Ableben im Jahr 1907 als Großherzog von Baden. Für ihn wurden neue, veränderte Schlüssel geschaffen. Diese wiesen eine Länge von 19 cm auf und waren aus vergoldetem Messingguss gefertigt. Auf der Vorderseite der Schlüssel, im Schild, befand sich unter der Krone ein verschlungenes „F“. Die vormals separat stehenden Schildhalter, dargestellt durch Löwen und Greife, waren nun fest mit den Schlüsseln verbunden. Zudem wiesen sie nun eine verzierte Umrahmung auf. Die bisher bekannten Schlüssel mit dem Monogramm „F“ weisen alle nur geringfügige Abweichungen auf. Diese Veränderungen könnten auf Nachbestellungen oder die Verwendung einer neuen Form durch den Hersteller zurückzuführen sein.

Der letzte Großherzog Friedrich II. (1857-1928) regierte von 1907 bis 1918, und aufgrund der Namensgleichheit wurden in seiner Regierungszeit die alten Schlüssel weitergetragen. Das Portepee bestand aus vergoldetem Silberdraht. Die Schleife war mit einem rhomboiden und kreisförmigen Messingplättchen versehen. Unter der Schleife wurde auf der Troddel das badische Wappen auf zweifache Weise dargestellt. Das Ganze wurde mit einem vergoldeten Silberdraht auf den Schlüssel gebunden.

Details (Baden, 1853-1918)

Nahaufnahme des gespiegelten F-Monogramms im Zentrum der Reide eines badischen Kammerherrenschlüssels.
Gespiegeltes F - Monogramm des Großherzogs im Zentrum der Reide
Nahaufnahme des verzierten Schlüsselbarts und des Abschlusssegments am Ende des Schlüsselhalms eines badischen Kammerherrenschlüssels.
Schlüsselbart und Abschlußsegment am Ende des Schlüsselhalms

Die Ernennung der Kammerherren erfolgte durch den Großherzog, was durch eine Urkunde dokumentiert wurde. Die Verleihung der Kammerherrenwürde sowie die damit einhergehende Beschaffung und Übergabe des Kammerherrenschlüssels waren mit Gebühren verbunden. Gemäß dem Hof- und Staatshandbuch des Großherzogtums Baden von 1910 sind 102 aktive Kammerherren verzeichnet.
Seit dem Jahre 1854 waren die Kammerherrenschlüssel nicht mehr Rückgabepflichtig. Nach VOLLE handelt es sich bei dem hier gezeigten Schlüssel um die seit 1853/54 ausgegebene Form aus der Regierungszeit von Großherzog Friedrich I. oder Großherzog Friedrich II.
Der Schlüssel wiegt gut 148 g und ist etwa 52,5 x 191 mm groß. Er besteht aus einer feuervergoldeten, sehr hellen, fast weißlichen Kupferlegierung (Bronze bzw. Messing). Die Kartusche mit dem Monogramm weist partiell eine matt vergoldete Oberfläche auf, die einer Politur unterzogen wurde. Das Monogramm selbst, das gespiegelte „F“, ist beiderseits separat aufgelegt. Auf dem Stück finden sich keinerlei Punzen oder Marken. Die Kammerherrenschlüssel wurden zusammen mit dem Portepee in einem mit roter Seide ausgekleideten, grünen Etui ausgegeben.

Etui des badischen Kammerherrenschlüssels

Ein geöffnetes grünes Etui mit roter Seidenauskleidung, das einen badischen Kammerherrenschlüssel enthält (Portepee fehlt).
Etui für einen badischen Kammerherrenschlüssel - Außen grün mit Goldrand an den Kanten, innen mit roter Seide ausgekleidet - Portepee leider nicht vorhanden

Chur-Bayern um 1750

Ein Chur-Bayerischer Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit Maximilian III. Joseph, ca. 1750.
Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit Maximilian III. Joseph

Dieser kurbayerische Kammerherrenschlüssel stammt aus der Regierungszeit Maximilian III. Joseph (1745-1777) um 1750. Maximilian III., Joseph (1727-1777, Regierung ab 1745) übernahm die Herrschaft im Alter von 18 Jahren. Er war der letzte im Mannesstamm der Kurlinie Bayern-München. Der Kurfürst ernannte 1745 an seinem Namenstag 27 neue Kämmerer und 1746 aus gleichem Anlass waren es 26 weitere. 1763 hatte Bayern 331 Kämmerer.

Details (Chur-Bayern um 1750)

Nahaufnahme des Zentrums der Reide eines Chur-Bayerischen Kammerherrenschlüssels mit dem Chur-Bayerischen Wappen unter einem Kurhut.
Chur-Bayerischer Kammerherrenschlüssel - Zentrum der Reide mit dem Chur-Bayerischen Wappen
Nahaufnahme des verzierten Schlüsselbarts am Ende des Schlüsselhalms eines Chur-Bayerischen Kammerherrenschlüssels.
Schlüsselbart am Ende des Schlüsselhalms

Der Schlüssel ist ca. 196 mm lang und wiegt 168 g. Bei vergleichenden Recherchen im Internet war es mir nicht möglich einen genau gleichen Schlüssel zu finden. Ich konnte drei Versionen finden, jedoch keinen mit genau diesem hier gezeigten Kurhut. Dies mag an der über 30jährigen Regierungszeit des Maximilian III. Joseph liegen, in der es scheinbar immer wieder zu kleinen Veränderungen in der Anfertigung gekommen sein muss. Die recht einfache Art des Kurhuts mit nur einem mittigen Perlreif könnte auf eine Anfertigungszeit am Anfang der Regierungszeit schließen lassen.

Die verliehenen Schlüssel bestehen aus vergoldeter Bronze und zeigen unter der Reide, am Übergang zum Halm, das offene verschlungene Monogramm „MJ“. Die meisten überlieferten Schlüssel sind von etwas unterschiedlichem Aussehen. Veränderlich zeigen sich die Details der Reiden und die der Schlüsselbärte.

Königreich Bayern, 1818

Ein bayerischer Kammerherrenschlüssel aus vergoldeter Bronze mit dem Monogramm MJ unter einer Krone, Regierungszeit Maximilian Joseph IV.
Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit Maximilian Joseph IV.

Maximilian Joseph IV. (1756-1825), Herzog von Pfalz-Zweibrücken (seit 1795) und Kurfürst von Pfalz-Bayern (seit 1799) wurde am 1. Januar 1806 zum ersten König Bayerns proklamiert. Das Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Bayern von 1819 nennt insgesamt einen Oberst-Kämmerer und 475 Kammerherren, wovon der König 236 Kammerherren von seinem Vorgänger übernommen und 239 bis zum Jahre 1819 selbst ernannt hatte. Das älteste Patent stammt dabei aus dem Jahr 1757.

Der verliehene Schlüssel besteht aus vergoldeter Bronze und zeigt unter der Krone das offene, verschlungene und poliertem Monogramm „MJ“ in einer spangenförmig geformten und verzierten Umrahmung. Unter der Reide ein oben verzierter, sonst glatter Halm mit glattem Bart. Der Bart vierfach gelocht. Am Ende des Halms ein kugelförmiger Abschluss. Der Schlüssel ist 151 mm lang und wiegt 72,6 g.

Unter den im Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Bayern von 1819 genannten Kammerherren finden sich zwei Mitglieder aus der Familie der Grafen von Verri. Einer von ihnen war Carl Ascan Graf Verri della Bosia, geb. am 26. Mai 1790 in Neuburg an der Donau, k. bayer. Kämmerer, General-Major, Kommandeur der I. Armee-Division und General-Adjutant des Königs, verheiratet am 12. Mai 1816 mit Friederike Catharina Jordis.

Details (Bayern, 1818)

Nahaufnahme des Zentrums der Reide eines bayerischen Kammerherrenschlüssels mit dem überkrönten Monogramm MJ.
Bayerischer Kammerherrenschlüssel - Zentrum der Reide mit dem überkrönten Monogramm MJ
Nahaufnahme des vierfach gelochten Schlüsselbarts und des Kugelabschlusses am Ende des Schlüsselhalms eines bayerischen Kammerherrenschlüssels.
Schlüsselbart und Abschlußsegment am Ende des Schlüsselhalms

Carl Ascan Graf Verri della Bosia begann seine Ausbildung bereits im Jahr 1803 bei der k. bayer. Pagerie und beendete dort seine Ausbildung zum 7. Okt. 1806 als Lieutenant des Leibregiments. Er war seit dem 31. Mai 1806 Ritter der franz. Ehrenlegion. Mit Dekret vom 12. März 1818 wurde ihm als Hauptmann im 1. Linien-Infanterie Regiment die königliche Kämmerer-Würde verliehen. Mit Armeebefehl vom 4. Nov. 1851 (Urkunde v. 12. Nov.) wurde die Verleihung des Ehrenkreuzes des bayer. Ludwigs-Orden an ihn bekannt gemacht; mit Armeebefehl vom 28. Feb. 1852 (Urkunde v. 1. März) die Verleihung des Ritterkreuzes des Verdienstordens der bayerischen Krone. Ferner war er Inhaber des russischen Stanislaus-Ordens 2. Klasse. Gem. Armeebefehl vom 1. Okt. 1853 wurde er als Generalmajor und Brigadier der 1. Armee-Division pensioniert. Er verstarb am 2. Aug. 1878 in München.

Die Verleihung der Kämmerer-Würde wurde ihm mit Schreiben des königlich baierischen Oberst-Kämmerer-Staabs-Amts vom 15. März 1818 bekannt gemacht.

Dekret für Carl Ascan Graf Verri della Bosia

Fotografie eines historischen Dokuments: das Dekret über die Verleihung der Kämmerwürde an Carl Ascan Graf Verri della Bosia, datiert 1818.
Dekret über die Verleihung der Kämmerwürde an Carl Ascan Graf Verri della Bosia

Bayern Mitte 19. Jahrhundert

Im bayerischen Hof- und Staatshandbuch von 1828, unter Ludwig I. (1786-1848, Regierung von 1825-1848) wurden 488 Kämmerer genannt und 29 Kammerjunker, die von 1826 bis 1828 ernannt worden waren. Das älteste Patent stammte von 1767, erteilt dem Grafen von Lösch. Nach dem ,,Hof- und Staatshandbuch“ für das Jahr 1849 unter Maximilian II. (1811-1864, Regierung 1848) hatte sich die Zahl der Kämmerer gegenüber 1828 um 67 verringert. Es gab 421 Kämmerer, aber 172 Kammer- und fünf Hofjunker. Damit hatte Bayern im Vergleich zu 1828 insgesamt 148 Junker mehr. Bis zum Jahr 1914 führten die Hof- und Staatshandbücher des Königreichs Bayern regelmäßig mehr als 300 Kämmerer namentlich auf. Die Ämter wurden häufig innerhalb derselben Familien weitergegeben, sodass Söhne ihren Vätern oder Großvätern nachfolgten. Zwar gab es keine offizielle Erbkämmererwürde, doch blieb der Kreis der Amtsträger weitgehend geschlossen. Nach 1871 kamen zu den über 300 Kämmerern zusätzlich mehr als 100 Kammerjunker sowie einige Hofjunker. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 verfügte Bayern über rund 400 Kämmerer, etwa 150 Kammerjunker und sieben Hofjunker.

Königreich Bayern, um 1830

Ein prunkvoller bayerischer Kammerherrenschlüssel aus Bronze vergoldet, datiert vor 1900, mit detailliertem Wappen und Ornamenten.
Bayerischer Kammerherrenschlüssel um 1830

Dieser Bronze vergoldete, königlich bayerische Kammerherrenschlüssel ist 176 mm lang und wiegt 127,5 g.

Folgt man DUWE soll er aus der Zeit unter Prinzregent Luitpold (1886-1912), aber aus der Zeit vor 1900 stammen. Letztlich scheint sich diese Angabe auf einen Auktionstext der Fa. Graf Klenau (September 1974) zu stützen, da andere Quellen nicht angegeben werden.

Stutzig wurde ich darüber jedoch, als ich einen identischen Kammerherrenschlüssel in einer Hermann Historica Auktion fand. In dieser Auktion wurden gut eine Hand voll Kammerherrenschlüssel aus der Familie Freiherrn von Leonrod versteigert. Die dort versteigerten Schlüssel waren alle mit recht glaubhaft dargestellten Kärtchen versehen, welche die Inhaber der Schlüssel angegeben haben. Die Zuordnungen der Namen zu den Schlüsseln waren auch recht glaubhaft nachvollziehbar. Demnach soll es sich um einen aus vergoldeter Bronze gefertigten, fein ziselierten und feuervergoldeten Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit (1806-25) König Maximilian I. Joseph von Bayern handeln.

Die Reide ist als großes Bayerisches Staatswappen, mit drei Ordensketten (Hubertus, Georg und MMJO) versehen.

Die am Schlüssel anhängende, alte Familien-Notiz lautete „Bayerischer Kammerherrenschlüssel des Karl Ludwig Frhrn. v. Leonrod“. Gem. bay. Staatshandbüchern wurde dieser im Jahre 1796 zum bayerischen Kammerherren ernannt.

Dass es sich dabei nicht um einen Schlüssel aus der Zeit handelt bevor Bayern Königreich wurde, ist wegen dem auf den Schlüssel dargestellten Wappen unstrittig. Das der ursprüngliche, Leonrodsche Schlüssel nach einem Regierungswechsel ausgetauscht wurde wäre in Bayern, wo nahezu jeder Herrscher andere Schlüssel verlieh, nachvollziehbar. Verstorben ist besagter Leonrod im Jahre 1859 (geb. 1774). Der Austausch hätte also zwischen den Jahren 1807 und 1859 stattfinden müssen, weshalb Luitpold (Regentschaft von 1886-1912) den Austausch nicht mehr hätte vornehmen können. Vielmehr wahrscheinlich ist, das der Schlüssel unter Ludwig. I. ab dem Regierungsantritt im Jahre 1825 ausgetauscht wurde.

Details (Bayern, um 1830)

Nahaufnahme des Zentrums der Reide eines bayerischen Kammerherrenschlüssels mit dem detaillierten bayerischen Staatswappen und Ordensketten.
Bayerischer Kammerherrenschlüssel - Zentrum der Reide mit dem bayerischen Staatswappen
Nahaufnahme des verzierten Schlüsselbarts und des Abschlusssegments am Ende des Schlüsselhalms eines bayerischen Kammerherrenschlüssels
Schlüsselbart und Abschlußsegment am Ende des Schlüsselhalms

Das dargestellte Wappen mit Schwert und Zepter im Herzschild war bayerisches Staatswappen vom 20.12.1806 bis zum 17.10.1835. Wenn ich die Anzahl der Orden (drei) auf dem Wappen hilfsweise zur weiteren Altersbestimmung heranziehe, dürfte dieses Wappen (mit drei Orden darunter) von 1807 bis spätestens 1818 Verwendung gefunden haben, denn ab 1819 werden bis 1835 mehr Orden unter dem Wappen dargestellt.

Nur allein auf das Wappen bezogen, müsste man die Entstehungszeit des Schlüssels abweichend vom DUWE, auf die Zeit von 1807 bis 1818 schätzen. Da aber König Maximilian I. Joseph Kammerherrenschlüssel mit seinem Namenszug „MJ“ unter der Königskrone verlieh, ist bei diesem Schlüssel-Modell eher an eine Verleihung unter Ludwig I. in der Zeit zwischen 1825 und 1848 zu denken. Der vom Prinzregent Luitpold um 1900 eingeführte, etwas kleinere Schlüssel mit dem bay. Staatswappen trägt das Wappen aus der Zeit ab 1835 (bis 1918), mit dem Rautenschild als Herzschild und vier Orden darunter.

Es scheint mir unwahrscheinlich, dass es neue Schlüssel gab, nur weil dem Wappen ein weiterer Orden hinzugefügt wurde. Diese Änderung wäre nur marginal und unter dem Portepee des Schlüssels sicherlich nicht sichtbar. Ein diesbezüglicher Austausch aller Schlüssel aus diesem Grund wäre ökonomisch nicht nachvollziehbar gewesen.

Königreich Bayern, um 1860

Ein prunkvoll gesticktes bayerisches Kammerherrenschlüssel-Portepee mit dem Namenszug Maximilian II. von Bayern um 1860 aus der Herstellung der Fa. F. S. Wunsch, München.
Ein prunkvoll gesticktes bayerisches Kammerherrenschlüssel-Portepee mit dem Namenszug Maximilian II. von Bayern um 1860 aus der Herstellung der Fa. F. S. Wunsch, München.

Es konnte bislang nicht eindeutig festgestellt werden, welcher Typ von Kammerherrenschlüssel während der Regierungszeit von König Maximilian II. (1848–1864) verliehen wurde. In den einschlägigen Quellen, darunter das Werk von Duwe sowie weitere zugängliche Literatur, findet sich kein gesicherter Nachweis. Auch Anfragen an Museen und öffentliche Institutionen haben bislang keine Ergebnisse erbracht, ebenso wenig das Studium älterer Auktionskataloge.

Die bekannten Schlüssel seines Vorgängers tragen durchgehend die Chiffre „L“ in der Reide. Dass Maximilian II. diese Form lediglich weitergeführt und mit einem eigenen Portepee versehen haben sollte, erscheint aufgrund der Gepflogenheiten nahezu ausgeschlossen. Jeder bayerische Herrscher ließ in der Regel eigene Schlüssel anfertigen, und Maximilian II. regierte immerhin 16 Jahre.

An dieser Stelle kann daher lediglich ein Portepee präsentiert werden, das nachweislich während der Regierungszeit von König Maximilian II. verliehen wurde.

Unter Berücksichtigung des Redaktionsschlusses der bayerischen Hof- und Staatshandbücher (1848 zum Regierungsantritt, 1864 zum Todesjahr) lassen sich für seine Regierungszeit etwa 165 Ernennungen von Kammerherren nachweisen. Kammerjunker sind hierbei nicht berücksichtigt, da sie keine Schlüssel erhielten. Die Hof- und Staatshandbücher verzeichnen die Ernennungen lediglich mit Jahresangaben, sodass die exakte Zahl nicht vollständig ermittelt werden kann.

Details (Bayern, um 1860)

Rückseite des gestickten bayerischen Kammerherrenschlüssel-Portepees, aus der Herstellung der Fa. F. S. Wunsch, München.
Rückseite des gestickten bayerischen Kammerherrenschlüssel-Portepees, aus der Herstellung der Fa. F. S. Wunsch, München.
Nahaufnahme der Knöpfchen zur Befestigung des Kammerherrenschlüssel-Portepees an der Kammerherrenuniform
Umsponnene Knöpfchen zur Befestigung des Portepees mit Kammerherrenschlüssel an der Kammerherrenuniform. Ihr Durchmesser beträgt 12,7 mm.

Gesichert ist, dass bayerische Kammerherrenschlüssel entweder mit einer Chiffre oder mit einem Wappen versehen waren. Nach bisherigem Forschungsstand sind ab 1806 folgende Varianten bekannt:

- Maximilian I. Joseph (bis 1825) - nur Schlüssel mit Chiffre MJ bekannt
- Ludwig I. (1825-1848) - nur Schlüssel mit Chiffre L bekannt
- Maximilian II. (1848-1864) - derzeit unklar ob es Schlüssel wieder mit Chiffre oder nur mit Wappen gab; jedoch bekannt: Portepees mit Chiffre M
- Ludwig II. (1864-1886) - nur Schlüssel mit Chiffre L bekannt
- Prinzregent Luitpold (1886-1912) - nur Schlüssel mit Wappen bekannt, mit einer Krone auf dem Portepee
- Ludwig III. (1912-1918) - gleiche Schlüssel wie unter Prinzregent Luitpold, nur mit einer Chiffre L auf dem Portepee

Wie die von Maximilian II. verliehenen Schlüssel letztlich ausgesehen haben muss bis zur Klärung der Frage offen bleiben.

Königreich Bayern, 1900

Ein bayerischer Kammerherrenschlüssel aus dem Jahre 1900, hohl gefertigt und vergoldet, mit dem bayerischen Staatswappen.
Bayerischer Kammerherrenschlüssel mit dem bayerischen Staatswappen

Infolge der Amtsunfähigkeitserklärungen für Ludwig II. und seinem Nachfolger Otto I. übernahm Prinz Luitpold vom 10. Juni 1886 bis zum 12. Dezember 1912 die Regentschaft im Königreich Bayern als des Königreichs Bayern Verweser.

Das Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Bayern von 1888 nennt insgesamt einen Oberst-Kämmerer und 311 Kammerherren, wovon der Prinzregent 264 Kammerherren von seinen Vorgängern übernommen und 241 bis zum Ende seiner Regentschaft selbst ernannt hatte. Das älteste Patent stammt dabei aus dem Jahr 1815.

Die Erlangung der Kämmererwürde war in der Regel mit der Zahlung von Gebühren (Taxen) für die Verwendung des Siegels (auf dem Dekret) und Überlassung des Kammerherrenschlüssels verbunden. Ferner war eine besondere Uniform am Hof vorgeschrieben, welche sich der Kammerherr selbst zu beschaffen und natürlich aus eigener Tasche zu bezahlen hatte. In besonderen Fällen konnte die Ernennung zum Kammerherren jedoch taxfrei, oder mit reduzierter Taxe geschehen. Auch wenn es dem Ernannten Geld kostete, verschaffte doch der Titel, mit den damit verbundenen Möglichkeiten wirtschaftlichen und beruflichen Aufstiegs, ein großes gesellschaftliches Ansehen.

Details (Bayern, 1900)

Nahaufnahme des Zentrums der Reide eines bayerischen Kammerherrenschlüssels von 1900 mit dem bayerischen Staatswappen in barockem Rahmen.
Bayerischer Kammerherrenschlüssel - Zentrum der Reide mit dem bayerischen Staatswappen
Nahaufnahme des Schlüsselbarts mit geometrischem Linienmuster und des Kugelabschlusses eines bayerischen Kammerherrenschlüssels von 1900.
Schlüsselbart und Abschlußsegment am Ende des Schlüsselhalms

Im Jahre 1900 betrug die Taxe für den Kammerherrentitel in Bayern 780 Mark. Sie setzte aus der Großen Taxe (480 Mark), der Kleinen Taxe (240 Mark) und einer Verwaltungsgebühr (60 Mark) für die Ausstellung der Urkunde, Überlassung des Dienstzeichens (Kammerherrenschlüssel), der Eintragung in das Matrikelprotokoll und der Ausschreibung im Gesetz- und Verordnungsblatt zusammen. (Das verfügbare Jahresdurchschnittsgehalt eines Arbeiters lag im Jahre 1900 bei ca. 213 Mark.)

Der hier vorgestellte Kammerherrenschlüssel ist hohl gefertigt, vergoldet, 160 mm lang und 35,7 g leicht. Er zeigt beidseits das bayerische Staatswappen in einem barocken Rahmen. Der sonst glatte Halm ist an beiden Enden mit Ringen und Blattwerk verziert und schließt kugelförmig ab. Der Bart ist nicht ausgeschnitten und trägt ein geometrisches Linienmuster. Erhabene Flächen sind teils poliert.

Verliehen wurde der gezeigte Schlüssel an Karl Joseph Askan Gabriel Graf von Verri della Bosia, geboren am 09.02.1865 in München. Er trat im Jahre 1878 in die königlich bayerische Pagerie ein und trat von dort am 08.08.1883 als Portepee-Fähnrich ins Infanterie-Leib-Regiment über. Er war Kammerjunker und im Jahre 1901 Hauptmann und Kompagnie-Chef im 6. Ostasiatischen Infanterie-Regiment. 1906 wird er als Oberstleutnant als Mitglied des bayerischen Senats beim Reichs-Militärgericht mit Sitz in Berlin und bis 1911 als Chef des Generalstabs des General-Kommandos des II. Armeekorps geführt. Er starb am 09.08.1911 im Alter von 46 Jahren.

Dekret für Karl Graf von Verri della Bosia

Fotografie eines historischen Dokuments: das Dekret über die Ernennung des Karl Grafen von Verri della Bosia zum königlich bayerischen Kämmerer.
Dekret über die Ernennung des Karl Grafen von Verri della Bosia zum königlich bayerischen Kämmerer

Herstellermarkierung Carl Weishaupt

Nahaufnahme von Silbermarken und der Herstellermarkierung der Firma Carl Weishaupt, München, auf einem hohl gefertigten Silber-Kammerherrenschlüssel.
Silbermarken und Herstellermarkierung der Firma Carl Weishaupt, München auf einem weiteren Schlüssel gleicher Anfertigungsart, jedoch hohl aus Silber gefertigt. Die nach dem Sohn des Firmengründers Anton Weishaupt (1776-1832), dem Hoflieferanten Carl Weishaupt (1802-1864), benannte Münchener Familiensilberschmiede fertigte in der Dienerstraße und am Marienplatz bis zum Ende der Monarchie sowie darüber hinaus unter dem Namen "C. Weishaupt".

Fürstentum Lippe (Detmold) um 1914

Ein lippischer Kammerherrenschlüssel aus Bronze vergoldet, Variante mit kleinem Fürstenhut über der lippischen Rose.
Lippischer Kammerherrenschlüssel. Ausführung mit kleinem Fürstenhut

Die Maße des Schlüssels belaufen sich auf 139,8 x 38 mm, bei einem Gewicht von 51,3 g.

Eine Analyse des "Staatshandbuchs für das Fürstentum Lippe" offenbart, dass im Jahr 1890 neun Kammerherren namentlich aufgeführt sind. Für die Jahre 1909, 1911 und 1913 sind demnach jeweils 10, 11 bzw. 13 Kammerherren verzeichnet. Diese Zahlen zeigen über die Dauer der Existenz des Fürstentums einen relativ konstanten Stand.

Im 18. Jahrhundert ist die Existenz von Kammerherren im Fürstentum Lippe nicht belegbar. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts lassen sich die ersten Kammerherren nachweisen. Von dieser Zeit bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden Kammerherrenschlüssel verliehen, deren Form sich über die Jahre hinweg nicht wesentlich veränderte. Der Schlüssel zeigt in der Reide die Rose aus dem Landeswappen und als Abschluss oben den Fürstenhut. Ein dreiblättriges Kleeblatt ist im Bart ausgespart. Die Schlüssel wurden aus Bronze gegossen und mit einer Vergoldung versehen. Sie wurden mit einem Portepee und auf einer grünen Blattrosette getragen. Es ist anzunehmen, dass in Schaumburg-Lippe ähnliche, vielleicht sogar gleiche Schlüssel verliehen wurden, wie sie in Lippe-Detmold üblich waren. Es existieren zwei Varianten der Kammerherrenschlüssel. Diese unterscheiden sich aber lediglich in der Größe des Fürstenhuts. Auch im Fürstentum Lippe gab es für Kammerherren eine eigene Uniform, die wie folgt beschrieben wird:

Details (Lippe) um 1914

Nahaufnahme der Reide eines lippischen Kammerherrenschlüssels mit der lippischen Rose unter einem Fürstenhut.
Detailansicht der Reide des Schlüssels. Lippische Rose unter dem Fürstenhut
Nahaufnahme des Schlüsselbarts eines lippischen Kammerherrenschlüssels mit einem ausgesparten Kleeblatt und dem Abschlusssegment.
Schlüsselbart und Abschlußsegment am Ende des Schlüsselhalms

A. Die Gala Uniform

  1. Frack von dunkelblauem Tuch mit Stehbrust und Stehkragen, von halber Brusthöhe bis unten mit Haken zu schließen. Stickerei auf Kragen, Brust, Aufschlägen, Patten und Rücken von Silber Zeichnung. Die Stickerei auf Kragen, Brust und Aufschlägen wird auf untergelegtem dunkelblauem Sammet ausgeführt. Knöpfe laut Probe in Silber unter den Patten je 3 und in den Schoßfalten je 2. Futter schwarze Seide (Satin de chine).
  2. Weste von weißem Piqué ohne Kragen mit 6 silbernen Knöpfen.
  3. Beinkleid von dunkelblauem Satin mit 1 3/4 Zoll breiter Silbertresse, außerdem zu großer Gala weißes Beinkleid mit Silbertresse.
  4. Hut. Dreimaster mit weißer Straußenfeder Plumage mit Cocarde in den Landesfarben und 1 Silberknopf.
  5. Degen nach Vorschrift mit goldenem, rot durchzogenem Portepee.

B. Kleine Uniform

  1. Frack von dunkelblauem Tuch mit Aufschlägen von demselben Tuch, sowie dunkelblauem Sammetkragen, vorne 3 hinten je 1 goldener Knopf nach Vorschrift, außerdem hinten auf dem rechten Schoß 2 kleine goldene Knöpfe zum Befestigen des Kammerherrn-Schlüssels.
  2. Weste von dunkelblauem Tuch mit Schalkragen und 5 goldenen Knöpfen.
  3. Weste von weißem Piqué in derselben Form mit 5 goldenen Knöpfen.
  4. Beinkleid von dunkelblauem Satin.

Herzogtum Nassau, 1864

Ein herzoglich nassauischer Kammerherrenschlüssel (letzte Form bis 1866) aus feuervergoldeter Bronze mit Portepee, verliehen 1864.
Nassauischer Kammerherrenschlüssel verliehen im Jahre 1864

Kammerherrenschlüssel des Herzogtums Nassau, letzte Form bis 1866. Feuervergoldete Bronze, 14,5 x 6,5 cm mit Portepee.

Der Kammerherrenschlüssel ist in einem Rahmen fest mit Zwirn befestigt. Da ich die alte Befestigung nicht lösen wollte, ist es mir nicht möglich die Rückseite des Schlüssels zu zeigen. Der Rahmen scheint etwa um 1867/68 angefertigt worden zu sein. Auf der Rückseite befindet sich eine handschriftliche Notiz, die auf den Träger und die Verleihungszeit hinweist:

Herzoglich Nassauischer Kammerherrnschlüssel. Verliehen am 25-jähr. Regierungsjubiläum des Herzogs von Nassau dem Freiherrn Moritz von Nauendorf

Das 25-jährige Regierungsjubiläum des Herzogs von Nassau und somit Tag der Verleihung des Schlüssels, fiel auf den 21. August 1864. Vor dieser Variante des Schlüssels waren auch nassauische Kammerherrenschlüssel in der Form eines wirklichen Schlüssel, also mit Reide, Halm und Bart ausgestattet. Da bei der oben gezeigten Form des Schlüssels das Portepee den gesamten Schlüssel ab der Reide verdecken würde, ist man hier dazu übergegangen anstatt des Halms unterhalb der Reide, eine große Klammer an der Reide zu befestigen.

Details (Nassau, 1864)

Detailansicht der fein ausgearbeiteten Reide eines nassauischen Kammerherrenschlüssels mit dem nassauschen Löwen und polierten Oberflächen.
Detailansicht der Reide des Schlüssels. Fein ausgearbeiteter, nassauscher Löwe, das Wappentier des Herzogtums Nassau. Von Hand polierte Oberflächen am äußeren Ring

Zu den ab ca. 1840 getragenen Schlüsseln gehörte ein aufwendig gesticktes Portepee, welches über dem Schlüssel getragen wurde. Das Portepee zeigte unter Herzogskrone die Wappenlöwen und darunter zweifach das Monogramm A. Solche Schlüssel wurden in der Regierungszeit von Herzog Adolph (1839-1866) getragen. Offensichtlich wurde diese Schlüsselform erst für den letzten Herzog neu geschaffen. Bis zum Verlust der nassauischen Souveränität nennen die nassauischen Hofkalender immer um die 30 Kammerherren; 1865 sogar 52. Herzog Adolph ging 1866 ins Exil nach Bayern. Am 23.11.1890 wurde er Großherzog von Luxemburg.

Träger dieses Schlüssels war Freiherr Moritz Adolf Heinrich Ehrenfried von Nauendorf, Herzoglich nassauscher Kammerherr und Königlich preußischer Hauptmann. Er wurde am 13. September 1832 zu Wiesbaden geboren und verstarb am 11. Oktober 1872 zu Nauendorf.

Er trat am 1. Januar 1850 in die Kriegsschule ein und blieb dort bis zum 1. September 1851. Am 1. November 1853 wurde Moritz von Nauendorf zum Unterleutnant im Herzoglich Nassauschen 4. Bataillon ernannt. 1855 wechselte er zum 1. Regiment Nassau und wurde dort am 26. April 1859 zum Oberleutnant ernannt. Am 21. August 1864 wurde er durch Herzog Adolf von Nassau mit der Würde eines Kammerherrn ausgezeichnet. 1862 wechselte er zum 2. Regiment Nassau. Mit Wirkung zum 30. Juni 1866 wechselte er zum Herzoglich Nassauschen Jäger Bataillon und wurde zum Hauptmann und Chef der 3. Kompanie ernannt.

Mit der Annektion Nassaus durch Preußen wurde er am 20. November 1966 als Hauptmann mit nassauschen Patent in das Offizier-Korps des Kurhessischen Jäger-Bataillons Nr. 11 im Königlich Preußischen Infanterie Regiment Nr. 67 übernommen, wo er sich im Krieg gegen Frankreich das Eiserne Kreuz II. Klasse erwarb.

Freiherr Moritz von Nauendorf war von 1868-1872 Kompanie-Chef im Infanterie Regiment Nr. 67.

Entwicklung der Kammerherrenschlüssel im Königreich Preußen

Es lässt sich anhand von Quellen nicht belegen, ob bereits unter Friedrich Wilhelm (1620-1688, Regierung 1649), dem Großen Kurfürsten, Kammerherrenschlüssel als Rangabzeichen verliehen wurden. Die ersten bekannten brandenburgischen Kammerherrenschlüssel wurden von Friedrich III. von Brandenburg (1657-1713, Regierung 1688 / ab 1701 Friedrich I. König von Preußen) verliehen. Die Schlüssel bestanden aus feuervergoldeter Bronze und wiesen eine Länge von ca. 17 cm auf. Der nahezu runde Schlüsselkopf zeigte insgesamt vier Mal die durchbrochene Chiffre „FIII“. Das Herzstück stellte das Zepter aus dem kurbrandenburgischen Wappen dar, welches als heraldisches Zeichen für das Amt des Erzkämmerers des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation diente. Die umlaufende Schrift „Hony soit qui mal y pense“ (zu Deutsch: „Schande über den, der Schlechtes dabei denkt“) fungiert bis heute als Devise des englischen Ordens des Heiligen Georg, auch Orden vom Hosenband genannt, der im Jahr 1350 gestiftet wurde. In den Jahren zwischen 1690 und 1700 wurden Kammerherrenschlüssel mit der Devise des Hosenbandordens verliehen. Den Abschluss des Schlüssels bildete eine Krone. Diese ruhte zwischen zwei sitzenden Adlern.

Im Anschluss an die Krönung des Kurfürsten in Königsberg im Jahr 1701 wurden den nunmehrigen königlichen Kammerherren neue Schlüssel verliehen. Es ist anzunehmen, dass diese Auszeichnung lediglich den im Rang-Reglement auf die 15. Stelle gesetzten, besoldeten Kammerherren zuteilwurde, die ihren Dienst versahen. Titular-Kammerherren wurden auf Rang 44 eingestuft. Der Schlüssel, der in den Jahren von 1701 bis 1713 verliehen wurde, wird wie folgt beschrieben: Der Schlüssel wies eine Länge von 17 cm auf und war in Bronze gegossen sowie in zwei unterschiedlichen Farben feuervergoldet. Der Schlüsselkopf, der die Form eines Ovals aufwies, zeigte in einem barocken Rankenwerk den nach links blickenden preußischen Adler, der mit einem emaillierten Herzschild versehen war. Auf dem Schlüssel war mit roter Farbe das Monogramm „FR“ aufgemalt. Der Schlüsselschaft wies ein gewundenes, reich verziertes Muster auf, während der Bart durchbrochen dargestellt war. Auf der Rückseite des Objekts befinden sich zwei Ösen, die eine Befestigung am Hofkleid ermöglichten.

Nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms I. (1688–1740) im Jahr 1713, der den großen Hofstaat seines Vaters weitgehend aufgelöst hatte, erhielten die Kammerherren des Herrschers andere Schlüssel. Unter dem zweiten Preußenkönig wurde die Schlüsselform geschaffen, die, abgesehen von zeitbedingten Veränderungen, in Preußen bis zum Ende der Monarchie Gültigkeit behielt. Die Schlüssel des Soldatenkönigs bestanden aus vergoldetem Silber, wiesen eine Länge von ca. 18 cm auf, wogen etwa 180 Gramm und zeigten unter der Krone das Monogramm „FWR“. Die Schildhalter wurden durch die beiden wilden Männer aus dem großen preußischen Wappen dargestellt. Der Schaft wies eine leichte Verzierung auf, während der Bart offen gestaltet war. Bislang konnte lediglich je ein erhaltenes Stück aus der Zeit Friedrichs III. (I.) und Friedrich Wilhelms I. nachgewiesen werden. Die unter Friedrich dem Großen verliehenen und getragenen Kammerherrenschlüssel wiesen eine ähnliche Gestaltung auf. Allerdings wurde die Krone hier durchbrochen dargestellt. In der Folge wurde ein offener Zwischenraum zwischen dem ovalen Herzstück mit der Prägung „FR“ und dem Lorbeerkranz sowie den beiden Schildhaltern geschaffen. Der Schaft wies eine glatte Oberfläche auf, während der Bart durch ein ausgespartes Kreuz sowie eine wulstige Verzierung an der Außenseite gekennzeichnet war. Die Schlüssel Friedrichs II. wiesen im Vergleich zu denen seines Vaters eine zierlichere Gestaltung auf, was auf den Einfluss des Rokokos zurückzuführen ist. Aus der Zeit des Großen Königs sind zudem Überlieferungen über die Verleihung von silber-vergoldeten Schlüsseln mit einer Länge von ca. 17 cm und einem Gewicht von etwa 170 Gramm, sowie zu vergoldeten Bronzeschlüsseln bekannt. Es wird angenommen, dass die Bronzeschlüssel im Kontext des Siebenjährigen Krieges oder kurz danach verliehen wurden, als Preußen sich in einer Phase der Verarmung befand.

Obgleich die Differenzen marginal erscheinen, lassen sie sich bei näherer Betrachtung doch Unterschiede in der Anfertigung ausmachen. Dies lässt den Schluss zu, dass die Schlüssel zu verschiedenen Zeitpunkten hergestellt und ausgegeben wurden. Es ist auch anzunehmen, dass die Anfertigung der Schlüssel durch mehrere Goldarbeiter erfolgte. Die friderizianischen Schlüssel dienten als Vorbild für alle späteren preußischen Kammerherrenschlüssel. Hinsichtlich der Gestaltung blieb der Lorbeerkranz, die offene Krone, die Bartgestaltung sowie die allgemeine Form unverändert. Das „FWR“, welches die preußischen Kammerherrenschlüssel bis 1918 zeigen, geht auf die Zeit Friedrich Wilhelms II. und seiner beiden Nachfolger zurück. Nach der Regierungszeit Friedrichs des Großen folgten in Preußen von 1786 bis 1861 drei Könige mit dem Namen Friedrich Wilhelm. Auch die von Kaiser und König Wilhelm II. verliehenen Schlüssel wiesen das Monogramm „FWR“ auf. Die Schlüssel waren aus vergoldetem Silber gefertigt, wiesen eine Länge von ca. 14 bis 15 cm auf und wogen zwischen 70 und 85 Gramm.

Unter Friedrich Wilhelm I. wird die Anzahl der Kammerherren auf etwa zehn geschätzt. Nach dem Tod Friedrichs des Großen ist davon auszugehen, dass höchstens etwas mehr als 100 Kammerherren in seinem Gefolge waren. In Anbetracht der relativ geringen Anzahl an Kammerherren war es ein Leichtes, Schlüssel mit dem jeweiligen Herrschermonogramm zu verleihen. Als unter Friedrich Wilhelm II. (1744–1797, Regierung 1786) die Zahl der Kammerherren auf 200 und mehr anstieg, wurden selbstredend entsprechend viele Schlüssel mit dem jeweiligen Königsmonogramm angefertigt und verliehen, welche von den Nachfolgern allein schon wegen der Namensgleichheit übernommen wurden. Die Tatsache, dass die Schlüssel unter den drei letzten preußischen Königen nicht geändert wurden, lässt sich damit erklären, dass die Kammerherren die Schlüssel ihrer Vorgänger übernahmen und so, aus Gründen der Sparsamkeit, eine Ausgabe von jeweils 200 oder mehr neuen Schlüsseln pro Herrscher vermieden werden konnte. Letztlich erklärt dies auch die relative Seltenheit dieser Schlüssel.

Die Verleihung der vergoldeten Silberschlüssel, welche mit dem Monogramm „FWR“ versehen waren, erfolgte deshalb durch alle preußischen Könige, beginnend mit Friedrich Wilhelm II. bis hin zu Wilhelm II. Die Verleihung von Bronzeschlüsseln oder solchen aus Messingguss erfolgte mutmaßlich in den Jahren zwischen 1807 und 1815 oder zu einem späteren Zeitpunkt (Länge: 17,15 bzw. 14 cm; auch andere Maße sind möglich). Bei den im 20. Jahrhundert verliehenen Schlüsseln wies die Krone Blattwerkverzierungen auf und das Monogramm war deutlicher erkennbar. Das Gewicht der Schlüssel variierte zwischen 70 und 85 Gramm. Im 20. Jahrhundert bestand für die preußischen Kammerherren zudem die Möglichkeit, Zweitschlüssel zu erwerben, welche aus vergoldetem Metall gefertigt wurden. Es lässt sich konstatieren, dass der Erwerb solcher Stücke eine Seltenheit darstellte. Diese Gegenstände waren dann natürlich in Privatbesitz und mussten nicht abgeliefert werden.

Beispiele preußischer Kammerherrenschlüssel

Königreich Preußen, um 1910

Ein preußischer Kammerherrenschlüssel (um 1910) mit blauer Seidenrosette und Befestigungsbändern in einem geöffneten Etui.
Preußischer Kammerherrenschlüssel um 1910

Diese Schlüssel zeigen unter der Krone in einem ovalen, von stilisiertem Lorbeer eingefassten Medaillon, die Chiffre „FWR“. Links und rechts wird das Medaillon von den beiden wilden Männern aus dem großen preußischen Wappen flankiert. Sie stehen jeweils auf einem geschwungenen Podest, welche von einer muschelartigen Ornamentik gehalten werden. Darunter fügt sich unter einem Baluster, der sechseckig verzierte Schaft an. Am Ende des Schafts liegt der, mit einer kreuzartigen Öffnung versehene Bart des Schlüssels, welcher mit einer wulstigen, floralen Verzierung abschließt.

Schon früher wurden diese Schlüssel nach Georg Duwe aus vergoldeter Bronze, aber auch vergoldeten Silber hergestellt. Die Maße und Gewichte variieren in der langen Anfertigungszeit teils erheblich.

Vorliegender, wohl Silber vergoldeter Schlüssel, ist inkl. Öse, aber ohne Ring 148,9 mm lang. Da der Schlüssel an drei Stellen fest mit der Rosette vernäht ist, an der sich auch die zwei ca. 50 cm langen Haltebänder befinden, ließ sich das tatsächliche Gewicht des Schlüssels nicht genau bestimmen. Mit der Rosette und dem Bandwerk beträgt das Gesamtgewicht 105 g. Ohne Bandwerk dürfte der Schlüssel etwa 85 g wiegen.

Die Rosette selbst ist 10 x 11 cm groß und besteht aus einem 55 mm breiten, hellbauen Seidenband; vorliegendes Exemplar vorderseitig etwa ausgeblichen.

Details (Preußen, 1910)

Nahaufnahme des Zentrums der Reide eines preußischen Kammerherrenschlüssels mit dem Monogramm FWR unter der Krone, flankiert von wilden Männern.
Preußischer Kammerherrenschlüssel - Zentrum der Reide mit dem Monogramm FWR
Nahaufnahme des Schlüsselbarts eines preußischen Kammerherrenschlüssels mit kreuzartiger Öffnung und floraler Verzierung.
Schlüsselbart und Abschlußsegment am Ende des Schlüsselhalms

Die langen Seidenbänder an der Rückseite dienten dazu, die Rosette mit dem Schlüssel an zwei kleinen Knöpfen zu befestigen, welche dazu an der Kammerherrenuniform angenäht wurden. Die Knöpfe mit einem Durchmesser von ca. 15 mm haben sich glücklicher Weise mit dem dazugehörigen Etui erhalten.

Mutmaßlich wurde dieser Schlüssel von der Fa. Johann Wagner & Sohn um 1910 angefertigt. Punzen oder Marken sind nicht vorhanden.

Das Holzetui misst 187 x 119 x 28 mm. Der Deckel und die Kanten des Etuis sind von außen mit einem hellrot gefärbten und geprägten Kaliko bezogen. Der Deckel ist zudem mit zwei umlaufenden, goldenen Prägelinien verziert. Die Kanten des Etuiunterteils weisen zwei nicht farblich abgesetzte Prägelinien auf. Der Boden des Etuis ist mit einem dunkelroten Prägepapier beklebt. Innen ist das gesamte Etui mit weißer Seide ausgekleidet. Die Einlage weißt eine Aufnahme für den Schlüssel und Rosette und je eine Aufnahme für die beiden Knöpfe auf.

Die Ränder der Etuiinnenflächen sind mit einem schmalen Streifen aus weißem Prägepapier verziert.

Hinweise auf einen Hersteller finden sich an diesem Etui nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt es aber aus Fertigung des Hofbuchbinders H. F. Schwartz, Berlin.

Das ganze Set weißt lediglich leichte Altersspuren auf und befindet sich sonst in einem fast neuwertigen Zustand, welches in dieser Vollständigkeit und diesem Zustand heute nur noch sehr selten zu finden sein dürfte.

Im Handbuch über den Königlich Preußischen Hof und Staat auf das Jahr 1918 werden noch 241 lebende Kammerherren seit dem Jahre 1868 geführt.

Etui des preußischen Kammerherrenschlüssels (um 1910)

Ein geöffnetes Etui mit einem preußischen Kammerherrenschlüssel, der an einer blauen Seidenrosette mit langen Befestigungsbändern befestigt ist, daneben zwei kleine Befestigungsknöpfe.
Etui eines preußschen Kammerherrenschlüssels mit Seidenrosette, Befestigungsbändern und Knöpfen

Königreich Preußen, zwischen 1786 - 1840

Vorderansicht eines älteren preußischen Kammerherrenschlüssels (1786-1840) aus vergoldetem Silber mit FWR-Monogramm.
Preußischer Kammerherrenschlüssel zwischen 1786 und 1840

Details (Preußen, 1786-1840)

Rückseite der Reide eines älteren preußischen Kammerherrenschlüssels (1786-1840) mit dem Herrscher-Monogramm FWR.
Preußischer Kammerherrenschlüssel - Rückseite der Reide mit dem Herrscher-Monogramm

Königlich Preußischer Kammerherren-Schlüssel aus der Regierungszeit von Friedrich Wilhelm II. (1786-1797) oder Friedrich Wilhelm III. (1797-1840).

Dieser Schlüssel wiegt 114 g und ist 155,6 mm lang.

Kammerherrenschlüssel im Königreich Sachsen

Die Frage nach der Rückgabe, dem Verbleib und dem Austausch von Kammerherrenschlüsseln im Königreich Sachsen ist durch verschiedene archivalische Quellen dokumentiert. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts lässt sich eine klare Rückgabepflicht nachweisen. So belegen königliche Rescripte aus den Jahren 1807 und 1808, dass neue Kammerherrenschlüssel nur gegen Rückgabe der alten ausgegeben wurden. König Friedrich August von Sachsen ordnete an, dass die Schlüssel und die dazugehörigen Quasten nicht allein im Dienst, sondern auch bei Hofe und in vollständiger Kleidung zu tragen seien. Die Verantwortung für die Umsetzung lag beim Oberstallmeister Graf Marcolini. Die Quasten mussten von den Kammerherren selbst angeschafft werden, während die Schlüssel vom Oberkammerherren-Departement geliefert wurden.
Die Rückgabepflicht blieb auch im späten 19. Jahrhundert bestehen. Eine Quittung aus dem Jahr 1892 bestätigt die Rückgabe eines Oberkammerherrenschlüssels sowie eines Kammerherrenschlüssels nach dem Tod des Oberkammerherrn Graf Vitzthum von Eckstädt. Ein Entwurfsschreiben des Oberkammerherren-Amtes aus dem Jahr 1900 fordert ebenfalls die Rückgabe eines Kammerherrenschlüssels nach dem Tod eines Amtsinhabers. Damit ist belegt, dass die Rückgabe nicht nur üblich, sondern durch feste Bestimmungen geregelt war.

Die archivalischen Einnahme- und Ausgabebücher liefern weitere Details. Dort finden sich Einträge über Schlüssel mit farbigen Schleifen in blauer und roter Farbe. Die Farbe diente offenbar der Rangdifferenzierung. Oberkammerherren führten Schlüssel mit blauer Schleife, Kämmerer mit roter Schleife, während gewöhnliche Kammerherren ihre Schlüssel an einem Portepee bzw. einer Quaste trugen. Während eine Neuanfertigung eines normalen Schlüssels 15 Mark kostete, belief sich der Preis für eine Aufarbeitung eines zurückgegebenen Exemplars 6 Mark. Bei Aufarbeitungen betrug der Aufpreis für farbige Schleifen 1,50 bis 2,50 Mark.

Die Produktion der Schlüssel erfolgte durch verschiedene Hofgürtlermeister: Johann Gottlob Bach (1807–1853), Franz Mieth (1855–1870), Louis Alex Seyffarth (1870–1902), Adolph Brendler (1901) und Gustav Hermann Osang (1902–1918). Die erste große Lieferung im Jahr 1807 umfasste 102 Schlüssel, was nahezu exakt der Zahl der damaligen Kammerherren (103) entsprach. Damit erhielten alle Kammerherren des neu erhobenen Königreichs Sachsen einen neuen Schlüssel. Später erfolgten nur noch Einzelanfertigungen oder Aufarbeitungen. Zwischen 1807 und 1904 wurden insgesamt 280 Schlüssel neu angefertigt, danach ausschließlich aufgearbeitet. Im Zeitraum 1807 bis 1918 sind 101 Aufarbeitungen dokumentiert, darunter drei mit blauer und eine mit roter Schleife.
Während der Regierungszeit König Alberts von Sachsen (1873–1902) wurden insgesamt 71 Kammerherrenschlüssel verliehen. Zwei Exemplare waren mit blauen, zwei mit roten Schleifen versehen. Von den vergebenen Schlüsseln wurden 60 neu angefertigt, während 15 durch Aufarbeitung erneut in Umlauf gebracht wurden. Vier Schlüssel mit dem Namenszug „AR“ (Albert Rex) blieben nachweislich unverliehen, sofern die archivalische Überlieferung keine Fehler enthält. Zwei dieser Stücke wurden nach 1902 durch den Hofgürtler Osang überarbeitet und mit dem Namenszug „GR“ (Georg Rex) versehen. Der Verbleib der beiden übrigen Schlüssel ist in den Akten nicht dokumentiert. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es sich entweder um einen Überlieferungsfehler handelt oder dass die Schlüssel als Musterstücke im Oberkammerherren-Departement zurückbehalten beziehungsweise einer Sammlung zugeführt wurden.

Die Trageweise der Kammerherrenschlüssel war präzise geregelt. Schlüssel mit Schleife oder Quaste wurden an der rechten Hüfte zwischen Taillenknopf und Patte getragen. Darüber hinaus bestand für alle Staatsdiener, die zugleich das Amt eines Kammerherrn innehatten, die Verpflichtung, den Kammerherrenschlüssel auch an ihrer offiziellen Staatsdieneruniform zu tragen. Diese Vorschrift verdeutlicht die enge Verzahnung zwischen der höfischen Auszeichnung und der staatlichen Dienstpflicht. Der Oberkammerherr besaß das besondere Vorrecht, zusätzlich einen Stock zu führen und den Schlüssel an einer blauen Schleife zu tragen. Nach den Instruktionen des Oberkammerherren‑Departements war beim Ableben oder bei der Entlassung eines Kammerherrn die Rückgabe des verliehenen Schlüssels verpflichtend; diese Bestimmung bezog sich auch auf die blauen und roten Schleifen. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Rückführung lag beim Oberkammerherrn, der damit nicht nur für die Ausgabe und Verleihung, sondern ebenso für die Verwaltung des Bestandes zuständig war. Die Rückgabepflicht entwickelte sich so zu einem festen Bestandteil der höfischen Ordnung und wurde über Generationen hinweg konsequent eingehalten. Auch der Oberzeremonienmeister, sofern er die Funktionen des Oberkammerherrn übernahm, trug den Schlüssel an einer blauen Schleife.

Die Schlüssel sowie die dazugehörigen Schleifen für Oberkammerherren (blau) und Kämmerer (rot) wurden vom Amt ausgegeben. Gewöhnliche Kammerherren trugen ihren Schlüssel hingegen an einer Quaste, die sie eigenständig zu beschaffen hatten. Als Lieferant fungierte hierfür die Firma C. A. Westmann in der Dresdner Große Brüdergasse 1, Schloßstraßen‑Ecke. Da die Quasten nicht vom Amt gestellt, sondern privat erworben wurden, unterlagen sie keiner Rückgabepflicht.

Die Unterschiede zwischen Kammerherr und Kämmerer sind ebenfalls klar dokumentiert. Der Kammerherr war ein Hofadeliger mit Ehrenrang und Zugang zum König, dessen Aufgaben vor allem repräsentativer Natur waren. Der Kämmerer hingegen war ein Verwaltungsbeamter, zuständig für die Einkünfte und Kassen des Herrschers. Während der Kammerherr gesellschaftliches Prestige genoss, war der Kämmerer Teil der staatlichen Bürokratie. Um Kammerherr in Sachsen werden zu können, war grundsätzlich ein Mindestjahreseinkommen von 15.000 Mark erforderlich. Auch in Sachsen wurden für die Verleihung der Kammerherrenwürde Gebühren fällig. Die Kosten für Uniform und Schlüssel waren ebenfalls vom Kammerherrn zu tragen.

Die Verleihung der Kammerherrenwürde war mit erheblichen finanziellen Verpflichtungen verbunden und stellte keineswegs ein kostenfreies Privileg dar. In Sachsen wurde für die Ausstellung der Urkunde sowie die Anfertigung des Kammerherrenschlüssels eine Stempelgebühr in Höhe von 900 Mark sowie ein zusätzliches Honorar von 150 Mark erhoben. Unter bestimmten Umständen konnte die Stempelgebühr jedoch erlassen werden. Besoldete diensttuende Kammerherren erhielten ein jährliches Gehalt, das zwischen 2400 Mark im Jahr 1912 und 3600 Mark im Jahr 1918 lag. Dieses Grundgehalt wurde durch verschiedene Vergünstigungen ergänzt. Eine Besoldung erfolgte allerdings ausschließlich für jene Kammerherren, die tatsächlich im Dienst standen.

Königreich Sachsen zwischen 1873-1902

Ein preußischer Kammerherrenschlüssel (um 1910) mit blauer Seidenrosette und Befestigungsbändern in einem geöffneten Etui.
Sächsischer Kammerherrenschlüssel zwischen 1873-1902

Der dargestellte Kammerherrenschlüssel ist ein repräsentatives Beispiel für die kunsthandwerkliche Ausgestaltung höfischer Insignien im späten 19. Jahrhundert. Gefertigt aus feuervergoldeter Bronze, weist das Objekt eine klar strukturierte, vertikal gegliederte Form auf, deren einzelne Zonen sowohl funktional als auch symbolisch differenziert gestaltet sind. Den oberen Abschluss bildet eine plastisch modellierte Krone, bestehend aus zwei separat gefertigten Hälften, die auf die darunterliegende Reide aufgesetzt sind. Die Reide selbst – der Kopfbereich des Schlüssels – ist durch florale Ornamentik, symmetrische Voluten und ein zentrales Monogramm charakterisiert. Letzteres zeigt die kunstvoll verschlungenen Initialen „AR“ (Albert Rex) und verweist auf König Albert von Sachsen, der zwischen 1873 und 1902 regierte und als Auftraggeber dieses Schlüssels gilt. Die Reide fungiert als verbindendes Element zwischen Krone und Halm und wurde ebenfalls separat gefertigt, was auf die komplexe Herstellungstechnik und die modulare Bauweise des Objekts hinweist.
Der Halm beginnt mit einer glatt polierten Oberfläche, die durch dekorative Segmente wie Ringe und stilisiertes Blattwerk rhythmisiert wird. Im unteren Bereich verjüngt sich der Halm und mündet in ein Abschlusssegment und in einen geometrisch stilisierten Bart. Dieser Bart ist nicht funktional ausgearbeitet, sondern dient ausschließlich der symbolischen Repräsentation.

Details (Sachsen, 1873-1902)

Nahaufnahme des Zentrums der Reide eines sächsischen Kammerherrenschlüssels mit dem Monogramm AR unter der Krone, flankiert von Voluten und Blätterranken.
Sächsischer Kammerherrenschlüssel - Zentrum der Reide mit dem Monogramm AR
Nahaufnahme des Schlüsselbarts eines sächsischen Kammerherrenschlüssels, nur als Rahmenelement dargestellt.
Schlüsselbart und Abschlußsegment am Ende des Schlüsselhalms

Die gesamte Gestaltung des Schlüssels folgt dem Prinzip der höfischen Inszenierung: Er fungiert nicht als Werkzeug im technischen Sinne, sondern als sichtbares Zeichen von Vertrauen, privilegiertem Zugang und sozialer Zugehörigkeit zur höfischen Elite.

Ein konkretes Beispiel liefert dieser Schlüssel aus der Regierungszeit König Alberts (29. Oktober 1873 bis 19. Juni 1902) wiegt 57,2 g, misst 147 mm in der Länge und 37,6 mm in der Breite. Der Halm verjüngt sich im Querschnitt konisch von 7,3 mm auf 5,7 mm. Abriebspuren an der Vergoldung belegen eine häufige Nutzung. Innerhalb des dokumentierten Zeitraums wurde dieses Modell 71‑mal verliehen; zwei Exemplare davon trugen blaue, zwei rote Schleifen. Ob die mit Schleifen versehenen Schlüssel sich lediglich durch die Farbgebung oder darüber hinaus auch durch Material- und Formvarianten von den an Quasten getragenen Exemplaren unterschieden, ist nach derzeitigem Forschungsstand nicht abschließend geklärt.

Vom dem hier gezeigten Modell wurden insgesamt 60 Kammerherrenschlüssel angefertigt. Von diesen stammten 58 aus der Werkstatt des Hofgürtlermeisters Louis Alex Seyfarth, während zwei Exemplare durch den Hofgürtlermeister Adolph Brendler gefertigt wurden. Darüber hinaus wurden 15 bereits zurückgegebene Schlüssel von Seyfarth zur Wiederverleihung aufgearbeitet, wobei die Maßnahmen überwiegend in einer Neuvergoldung bestanden.

Königreich Württemberg um 1900

Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit König Wilhelm II. (1891-1918). Silber vergoldet, Portepee aus Goldbouillons, Goldlahnstickerei, Länge 17cm
Kammerherrenschlüssel aus der Regierungszeit König Wilhelm II. (1891-1918). Silber vergoldet, Portepee aus Goldbouillons, Goldlahnstickerei, Länge 17cm

Es lässt sich vermuten, dass in Württemberg bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts die ersten Kammerherrenschlüssel verliehen wurden.

Auswertungen ergaben, dass ein signifikanter Anteil der Kammerherren des 18. Jahrhunderts Angehörige der Offiziersklasse waren, wobei sich unter diesen sogar Persönlichkeiten hoher Chargen befanden. Im Jahre 1767 wurde Gustav Friedrich von Biedenfeld mit den Titeln Nationalkammerherr und Generalmajor ausgezeichnet. Der Titel „Nationalkammerherr“ wurde in Württemberg auch anderen Kammerherren höherer Herkunft verliehen. In den anderen deutschen Staaten wurde diese Bezeichnung nicht verwendet.

Im Jahre 1815 zählte der Stand der Kammerherren 195 Mitglieder. In den darauffolgenden Jahren wurde der Hofstaat verkleinert. Im Jahr 1847, unter der Regentschaft von König Wilhelm I. (1791-1864, Regent seit 1816), belief sich die Anzahl der Kammerherren auf 83. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Hofstaat noch weiter verkleinert. Im Jahr 1866, unter der Regentschaft von König Karl (1823–1891), wurden dann lediglich noch 72 Kammerherren geführt. Im Jahre 1914 belief sich unter der Regentschaft von Wilhelm II. (1848–1921) die Anzahl der Kammerherren auf 78.

Im Jahr 1914 galt nach wie vor die Rangordnung von 1821, welche insgesamt zehn Rangfolgen vorsah. Der Oberstkammerherr wurde in der ersten Rangstufe genannt, während die Kammerherren in der vierten Rangstufe aufgeführt wurden.

Die von Wilhelm II. (Regierung von 1891-1918, gest. 1921) verliehenen Schlüssel waren aus feuervergoldeter Bronze gefertigt. In der Reide wurde das königliche Monogramm „W“ unter einer offenen Krone dargestellt. Das Monogramm wurde von einem Lorbeerkranz umrahmt. Im Schlüsselbart war das „W“ für Württemberg zu sehen.

Details (Württemberg um 1900)

Reide mit dem bekröntem Monogramm König Wilhelm II. von Württemberg
Reide mit dem bekröntem Monogramm König Wilhelm II. von Württemberg
Nahaufnahme des Schlüsselbarts mit Herrschermonogramm eines württembergischen Kammerherrenschlüssels um 1900.
Schlüsselbart und Abschlußsegment am Ende des Schlüsselhalms

Bei dem vorliegenden Kammerherrenschlüssel handelt es sich um einen Schlüssel, der in der Regierungszeit von Wilhelm II. (1891-1918, gest. 1921) in Gebrauch war.

Auch dieser Schlüssel auf einem Portepee aus Goldbouillons und Goldlahnstickerei getragen, dass in dieser Form bereits unter König Karl Verwendung fand.

Rückseitig war dieses Portopee gelb hinterlegt.

Portepeerückseite Württemberg

Rückseite des Portepees zum württembergischen Kammerherrenschlüssel
Rückseite des Portepees zum württembergischen Kammerherrenschlüssel

Weitere deutsche Königreiche / Fürstentümer

Auch in anderen deutschen Königreichen, Fürstentümern und Herzogtümern wurden Kammerherrenschlüssel verliehen. Jeder Hof hatte seinen eigenen Stil und seine eigenen Traditionen, die sich in der Gestaltung der Schlüssel widerspiegelten. Oft wurden lokale Wappen und Embleme in das Design integriert, um die regionale Identität zu betonen.

In Sachsen beispielsweise wurden die Schlüssel u.a.mit der sächsischen Raute verziert, während in Mecklenburg das bekrönte Herrschermonogramm die Reide zierte. Diese Variationen spiegeln die Vielfalt der deutschen Staaten vor der Einigung im 19. Jahrhundert wider.

Historische Zeitachse

Mittelalter

Entstehung der Hofämter unter Merowingern & Karolingern. Kämmerer beaufsichtigen königliche Gemächer & Schatzkammern.

15.-16. Jahrhundert

Formalisierung der Hofämter. Oberste Hofämter (Kämmerer, Marschall, etc.) werden wichtige Positionen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen. Nur hochrangige Männer berufen.

17. Jahrhundert

Unter Kaiser Ferdinand II. kommen vergoldete Schlüssel auf. Kammerherrenschlüssel werden zunehmend Statussymbole ohne praktische Funktion.

18. Jahrhundert

Blütezeit höfischer Kultur. Schlüssel werden kunstvolle Objekte & Teil der Hoftracht, an der Tasche des Hofkleides getragen.

19. Jahrhundert

Höhepunkt der Entwicklung: prunkvolle Insignien mit Wappen & Verzierungen. Zahl der Kammerherren an deutschen Höfen steigt.

1918

Ende der deutschen Monarchien. Kammerherrenschlüssel verlieren offizielle Funktion, werden historische Artefakte & Sammlerstücke.

Vermächtnis und moderne Bedeutung

Rückseite eines bayerischen Portepees, an das ein Kammerherrenschlüssel mit einer blauen Kordel gebunden ist.
Bayerischer Kammerherrenschlüssel mit blauer Kordel auf die Rückseite eines Portepees gebunden

Mit dem Ende der Monarchie in Deutschland im Jahr 1918 und der damit verbundenen Abdankung der letzten Könige, Herzöge und Fürsten verloren die Kammerherrenschlüssel ihre praktische Bedeutung. Die höfischen Strukturen und Insignien wurden abgeschafft, und viele der kunstvollen Schlüssel wurden zu Sammlerstücken und historischen Artefakten.

Heute sind Kammerherrenschlüssel wertvolle historische Artefakte, die in Museen und Privatsammlungen aufbewahrt werden. Sie sind ein Zeugnis der höfischen Tradition und des handwerklichen Könnens des 19. Jahrhunderts. Die Schlüssel erinnern an eine glanzvolle Vergangenheit und die Bedeutung der Fürstentümer in der deutschen Geschichte.

Die Kammerherrenschlüssel sind ein faszinierendes Zeugnis der höfischen Tradition und der historischen Rolle der Kammerherren am Hof. Sie symbolisieren nicht nur die Vertrauensstellung und die Nähe zum Monarchen, sondern auch den kulturellen Reichtum und die Pracht des jeweiligen Hofes. Obwohl ihre praktische Bedeutung heute weitgehend verloren gegangen ist, bleiben sie als historische Artefakte von kultureller und symbolischer Bedeutung.

Kammerherrenschlüssel in Sammlungen und Museen

Einige Kammerherrenschlüsseln finden sich heute in verschiedenen deutschen Museen, darunter:

  • Das Bayerische Nationalmuseum in München
  • Das Deutsche Historische Museum in Berlin
  • Das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart
  • Das Schloss Charlottenburg in Berlin
  • Die Badisches Landesmuseum in Karlsruhe
  • Das Historische Museum Basel

Diese Museen bewahren das kulturelle Erbe der deutschen Höfe und machen es einem breiten Publikum zugänglich. Die ausgestellten Kammerherrenschlüssel zeugen von der Pracht und dem Zeremoniell vergangener Epochen und bieten einen faszinierenden Einblick in die höfische Gesellschaft.

Fazit

"Die Kammerherrenschlüssel sind ein Symbol für Macht und Tradition, ein faszinierendes Zeugnis der höfischen Vergangenheit. Sie erinnern uns an eine Zeit, in der Prunk und Zeremoniell eine wichtige Rolle spielten und in der der Kammerherr eine Schlüsselfigur am Hof darstellte."

Die Kammerherrenschlüssel sind mehr als nur dekorative Gegenstände; sie sind wichtige historische Artefakte, die Einblicke in die komplexe Welt der höfischen Gesellschaft bieten. Sie symbolisieren die enge Beziehung zwischen dem Herrscher und seinen Vertrauten, die Hierarchien am Hof und die Bedeutung von Status und Privilegien in vergangenen Zeiten.

Obwohl die Monarchien und mit ihnen die Institution der Kammerherren in Deutschland längst vergangen sind, lebt ihr Erbe in den erhaltenen Schlüsseln weiter. Diese kunstvollen Objekte sind nicht nur von ästhetischem Wert, sondern erzählen auch Geschichten über die Menschen, die sie trugen, und die Höfe, an denen sie dienten.

Die Kammerherrenschlüssel verbinden uns mit einer vergangenen Epoche und erinnern uns an die Tradition, die Kultur und die gesellschaftlichen Strukturen, die die deutsche Geschichte geprägt haben. Sie sind ein wertvolles kulturelles Erbe, das es zu bewahren und zu verstehen gilt.